Politische Gewalt im Ruhrgebiet in der Weimarer Republik

Das Ruhrgebiet nimmt innerhalb der Gewaltgeschichte der Weimarer Republik eine herausragende Stellung ein. Wie kaum eine andere Region ist es vor allem in den ersten Jahren nach der Revolution wiederholt zum Schauplatz politisch motivierter Ausschreitungen geworden. Derartige Erfahrungen von Gewalt und Brutalität haben die Lebenswelt der Ruhrgebietsbevölkerung in besonderem Maße geprägt, was wiederum deren Selbstverständnis sowie deren politische Handlungs- und Deutungsschemata nachhaltig beeinflusst haben dürfte. Auch in der Außenwahrnehmung der Region spielte das Gewaltmotiv eine bedeutende Rolle. So war das Wort vom Ruhrgebiet als dem „Wilden Westen“ Preußens zwar längst in die Welt gesetzt, der industrielle Ballungsraum wurde aber erstmals im Zuge der gewaltsamen Ausschreitungen in der Anfangsphase der Weimarer Republik als ein selbstständiger politischer Akteur und ein zusammenhängender Raum mit eigenen politisch-sozialen Zielvorstellungen wahrgenommen.

In der hier vorgestellten Studie wird die Erinnerung an die Rote Ruhrarmee und den Ruhrkampf aus dem Jahre 1920, den „größten Aufstand in der deutschen Geschichte seit den Bauernkriegen“, untersucht. Im Spiegel der sich verändernden sozialen und politischen Rahmenbedingungen von der Weimarer Republik bis in die Gegenwart sollen die Wandlungsprozesse und Kontinuitäten in der Rezeption dieses sehr ambivalent diskutierten historischen Ereignisses herausgearbeitet und die Trägergruppen der verschiedenen Deutungen innerhalb ihres jeweiligen gesellschaftlichen Systems verortet werden. Folglich stehen bei diesem Dissertationsprojekt, im Sinne einer „Geschichte zweiten Grades“, die Formen und Hintergründe der Überlieferung von Vergangenheitsnarrativen sowie die Frage nach dem Platz innerhalb der Geschichte, der dem betrachteten historischen Ereignis im Wandel der Zeit zugedacht bzw. verwährt wurde, im Fokus. Die Dissertation ist damit als ein Beitrag im weiten Feld der Erinnerungsgeschichte und der kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung zu verstehen.

Im Zentrum der Studie steht die Frage, welche sozial-politischen und welche regionalen Identitäten die Erinnerung an den Ruhrkampf und die Rote Ruhrarmee zu verschiedenen Zeiten bedient hat und in welchem Verhältnis diese Identitätsangebote jeweils zueinander standen.

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Joana Seiffert