Evangelische Pfarrer und religiöse Sozialisation. Institutionalisierte Religion und Säkularisierung in der Bundesrepublik aus sozialgeschichtlicher Perspektive (1945 bis 1980)

(abgeschlossen)

Das Projekt, das von 2006 bis 2008 durchgeführt wurde, zielte auf eine Analyse protestantischer Pfarrer in der Bundesrepublik als Instanzen der religiösen Sozialisation ab. Im Mittelpunkt standen zwei Problemkomplexe – Sozialisation von verschiedenen Pfarrergenerationen einerseits und deren sozialisatorische Wirkung im historischen Verlauf andererseits. Dabei wurden Reaktionsmuster der Pfarrer auf den Verlust ihrer dominierenden Stellung bei der religiösen Sozialisation im Zusammenhang mit Säkularisierungsprozessen und sozialem Wandel herausgearbeitet.

Die Analyse hat ergeben, dass das Sozialprofil der Pfarrerschaft nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 1960er Jahre relativ stabil war: Die Pfarrer rekrutierten sich hauptsächlich aus den Mittelschichten, vor allem aus Angestellten- und Beamtenfamilien. Als eine relevante soziale Gruppe nahm die Pfarrerschaft an Sozialisationskrisen des 20. Jahrhunderts teil. Im Laufe der ersten drei Nachkriegsjahrzehnte haben sich auch Formen und Inhalte der sozialisatorischen Maßnahmen der Kirche gewandelt. Die „Gottesdienste in neuer Gestalt“ ab den 1960er Jahren suchten mit ihren nichttraditionellen Konzepten neue Zielgruppen anzusprechen, der Konfirmandenunterricht entwickelte sich zur Konfirmandenarbeit und die Problematik der Kinder- bzw. Erwachsenentaufe wurde Gegenstand innerkirchlicher Auseinandersetzungen, die eine breite öffentliche Resonanz fanden. Diese Prozesse lassen sich auch im Kontext der Reaktionen der kirchlichen Organisation und der Pfarrerschaft auf den Rückgang ihrer sozialisatorischen Wirkung interpretieren.

Einzelne Ergebnisse des Projektes wurden im Rahmen der Kolloquien der Forschergruppe „Transformation der Religion in der Moderne“ und des Instituts für soziale Bewegungen sowie im Rahmen des internationalen interdisziplinären Workshops „Religiöse Sozialisationen im 20. Jahrhundert“ (Bochum, November 2007) vorgestellt.


Aus dem Projekt sind folgende Veröffentlichungen hervorgegangen:

• Dimitrij Owetschkin: Die Suche nach dem Eigentlichen. Studien zu evangelischen Pfarrern und religiöser Sozialisation in der Bundesrepublik der 1950er bis 1970er Jahre, Essen 2011.

• Dimitrij Owetschkin: Zeuge – Berater – Krisenagent. Zum Wandel des Pfarrerbildes und der Pfarrerrolle nach 1945, in: Wilhelm Damberg (Hg.), Soziale Strukturen und Semantiken des Religiösen im Wandel. Transformationen in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1989, Essen 2011, S. 37-53.

• Dimitrij Owetschkin: Zwischen Glaubensvermittlung und „kritischer Sozialisationsbegleitung“. Kirchlich-sozialisatorisches Wirken evangelischer Pfarrer in der Bundesrepublik vor dem Hintergrund der Tauffrage (1950er-1970er Jahre), in: Monatshefte für Evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes 60 (2011), S. 225-246.

• Dimitrij Owetschkin: Von der kirchlichen Unterweisung zur „Konfirmandenarbeit“. Zum Wandel religiöser Sozialisation in der Kirchengemeinde nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Klaus Tenfelde (Hg.), Religiöse Sozialisationen im 20. Jahrhundert. Historische und vergleichende Perspektiven, Essen 2010, S. 89-108.

• Dimitrij Owetschkin: Sozialisationsforschung und religiöse Sozialisation im 20. Jahrhundert aus historischer Sicht. Ein Forschungsaufriss, in: Mitteilungsblatt des Instituts für soziale Bewegungen 36 (2006), S. 65-84.




Zur Kontaktaufnahme wenden Sie sich bitte an:
Dr. Dimitrij Owetschkin