Ruhr-Nachrichten Nr. 89 v. 16.04.2004

Krimi auf dem zweiten Blick. Forschungsprojekt Zwangsarbeit im Ruhrbergbau legt Archivverzeichnis vor

Durch gewaltige Aktenberge mussten sich die Forscher quälen. Beim Bergbau herrscht Ordnung, (fast) alles ist archiviert.

Nach 15-monatiger Sichtung kann das Forschungsprojekt "Zwangsarbeit im Ruhrbergbau während des Zweiten Weltkrieges" jetzt die bundesweit erste Forschungshilfe zu diesem Thema vorlegen - ein 224-seitiges Inventar der archivalischen Quellen in NRW. Zugegen, auf den ersten Blick nicht gerade ein fesselnder Krimi, aber hinter den nüchternen Quellenangaben verbergen sich Geschichte, Geschichten und über 300 000 Schicksale. Die interesssieren immer mehr auch eine breite Öffentlichkeit, seit die Diskussion um Entschädigungszahlungen in Gang kam, bestätigt Projektbearbeiter Dr. Michael Farrenkopf, Leiter des Bergbau-Archivs beim Bergbaumuseum: "Wir bekommen täglich Anfragen zu diesem Thema." Sei es von Einzelforschern oder Schulen, Heimatvereinen oder Geschichtskreisen. Gut investiertes Geld also (1, 3 Mio. Euro), das die RAG in das Forschungsprojekt Zwangsarbeit des Instituts für Soziale Bewegungen (ISB) der RUB gesteckt hat. Zumal Unabhängigkeit und Transparenz gewährleistet sind, wie Projektleiter Dr. Hans-Christoph Seidel vom ISB betont: Hier wird nicht Unternehmensgeschichte aufgearbeitet, sondern ein ganzer Industriezweig vor dem Hintergrund der Zwangsarbeit untersucht, nicht nur im Ruhrgebeit, sondern auch in Kohlenrevieren besetzter Regionen (Belgien, Ukraine, Polen). Erste inhaltliche Ergebnisse sollen Anfang 2005 in einem Sammelband veröffentlicht werden. Das jetzt vorgelegte Quellenbuch vermittelt einen Überblick über die Vielfalt der Aufzeichnungen in Staats-, Wirtschafts- und Kommunalarchiven. Mitarbeiter Holger Menne, der sie alle gesichtet hat, ist zwar klar, dass im Krieg viel verloren ging, aber die Bestände seien noch umfangreich genug, um die Geschichte aufzuarbeiten. So gibt es noch etliche Dokumente und Belege - von Erlassen des Reichsarbeitsministeriums über Unterbringung und Verpflegung der Zwangsarbeiter, Schichtzettel der Zechen bis zu Werksleiterbesprechungen und Lageberichten. Und natürlich auch über die Todesfälle. Das Buch kostet 12 Euro. Die Quellen sind auch auf der Internetseite des Bergbaumuseums einzusehen und herunter zu laden.

Joachim Stöver


zit. nach:Ruhr Nachrichten Nr. 89 v. 16.04.2004