WAZ, 23.03.2005, Mantel

Weltsstadt Ruhr - eine mögliche Zukunft

Der Bochumer Historiker Prof. Klaus Tenfelde über die Revier-Vision von Christoph Zöpel

Der Bundespolitiker und ehemalige NRW-Städtebauminister Christoph Zöpel hat in seinem Buch "Weltstadt Ruhr" eine visionäre Sicht für die Weiterentwicklung des Ruhrgebiets dargelegt. In einem Beitrag für die WAZ hat sich der Bochumer Historiker Prof. Klaus Tenfelde mit Zöpels Arbeit auseinandergesetzt.

Das Buch ordnet und bündelt, was man von Zöpel bisher schon lesen konnte und in Diskussionen zu hören bekam: seine Argumente für eine regionale Offensive, für einen wahrhaften Zusammenschluß der Städte in der Region, sein Hoffen auf deren Aufwachsen zur Weltmetropole. Dafür hat er schon den Namen, schlicht "Ruhr", das Symbol, einen Elefanten (weil das Beispiel Hamm ihm einleuchtet), und eine Vision von Grün und Blumen - "der Elefant im blumenreichen Ruhr holt die Utopie optimistisch in die Wirklichkeit." Zöpel hat Recht, es schadet nichts, eine solche Vision zu haben, über die man dann auch ein wenig lächeln mag. Die Argumente, die dahin führen sind handfester Art. Weltmetropole, das ist der Maßstab, den das Buch mit gewisser Bessessenheit anpeilt, getragen von einem ruhelosen Reformeifer. Immerhin, das hindert nicht, Nachhaltigkeit des administrativen und politischen Handelns zu verlangen. Zöpel argumentiert, wenn er die verschiedenen bisherigen Förderprogramme für das Ruhrgebiet Revue passieren lässt und kritiseirt, besonders überzeugend, da merkt man ihm hohe Sachkenntnis an, und Subventionitis ist erkennbar sein Ding nicht. Er wünscht sich eine Stadt Ruhr im Gebiet des derzeitigen RVR zuzüglich der Landeshauptstadt Düsseldorf und des Kreises Mettmann, in klarem Widerspruch zu einer chimärischen Rhein-Ruhr-Region. Aber diese Lösung überzeugt nicht, auch wenn es schwierig bleibt, eine Grenze zwischen Mühlheim, Essen und Düsseldorf zu markieren - Zöpel möchte gern die Reichen im Ruhrgebiet behalten. Taktisch klug hingegen der Vorschlag, Dortmund zum neuen Vor-Ort der Region zu machen, das war schließlich einmal eine wirkliche freie Reichstadt im (späteren) Ruhrgebiet, und dieses Geschenk an Dortmund würde helfen, westfälische Flausen zu vertreiben. Entscheidend bleiben aber die Vorstellungen über die Verteilung der Kompetenzen zwischen den politischen Gremien und Behörden. Sicher, man kann sich Ruhrstadt in drei Handlungsebenen vorstellen: von unten nach oben, die Stadtbezirke, die Gropßstädte, den gestärkten Stadtverband, dieser zuständig für die Außenbeziehungen, die Flächennutzungsplanung, den Nahverkehr und Kultur und unter einer echten parlamentarischen Kontrolle. Der Teufel steckt aber im Detail, da würde endlos gefochten werden im Gerangel der Kompetenzen. Außerhalb der Region mangelt es dem Buch an Klarheit. Zöpel kann sich nicht recht entscheiden. Brauchen wir nun weiter Regierungsbezirke oder nicht - und wenn ja, wie viele davon? Und die Landschaftsverbände sollen dann doch überleben, diese merkwürdigen Zwitterschöpfungen einer Nachkriegsphase, in der geglaubt wurde, dass sich anders das westfälische Selbtsbewusstsein nicht bändigen ließe? Da fängt es noch einmal an, das Gerangel um die Kompetenzen. Schön zu lesen, dass dieser Sozialdemokrat seiner eigenen Landesregierung "verwaltungsstrukturelle Orientierungslosigkeit" ins Stammbuch schreibt, aber er selbst kommt nicht recht darüber hinaus. Die Vision einer handlungseigenen, einer Weltstadt ist allzu schön, aber die Realität lehrt uns, dass man der Sache nur und allenfalls im Rahmen einer umfassenderen Reform der mittleren Instanzen im Lande, einer großen Verwaltungsreform mithin, näher kommen kann. Zöpel ist bewandert sowohl in der Geschichte der Region, da liest man manches hübsche Aperçu, als auch in der Stadtplanung und-soziologie, und er scheut auch nicht die Auseinandersetzung mit jener pessimistischen Variante der Problembewältigung, welche die Zukunft des Ruhrgebiets als eine Schrumpfungskur mit Stadtteil-Ruinen anvisiert.Dem kann er nicht viel abgewinnen, mehr schon pflegt er Kritik an den verpassten Chancen durch Festhalten an alten Leitbildern. Solche Kritik hat in den letzten fünf, sechs Jahren ja stark zugenommen, und längst schon gibt es eine Ruhrgebiets-Bürgerschaft, die sich als Bürger von Ruhrstadt sieht und den Kirchturm-Konkurrenzen der Rathäuser nichts mehr abgewinnen kann. In einer Situation wie der gegenwärtigen, in der der neue RVR noch nicht handlungsfähig ist und, recht besehen, auch vor den Landtagswahlen nicht mehr handlungsfähig werden wird, nimmt man ein Buch wie dieses mit Freuden wahr, als Weckruf in einem derzeit nur köchelnden Pott (diesen Slogan mag Zöpel gar nicht).

·Christoph Zöpel: Weltstadt Ruhr, Klartext-Verlag, 144 Seiten, 14, 90 Euro


zit. nach: WAZ Nr. 69. v. 23.03.2005.