WAZ, 12.07.2005, Lokalausgabe Bochum

Krupp und Kaiser Wilhelm

Krupp und Kaiser Wilhelm

Klaus Tenfelde dokumentiert eine Wechselbeziehung

Von Jürgen Boebers-Süßmann
WAZ Bochum. Krupp, eine Firma von Weltruf.
An allen Fronten Krupp'sche Kanonen, auf
allen Kontinenten Krupp'sche Schienen und
Eisenbahnräder. Das freute nicht nur den
Unternehmer, sondern auch den Deutschen
Kaiser. Wie eng die Kumpanei des Essener
Unternehmens mit der Monarchie zu Beginn
des 20. Jahrhunderts war, belegt eine Dokumentation
ü ber das 100-jährige Firmenjubiläum im
August 1912.

Prof. Klaus Tenfelde, Leiter des "Instituts
für soziale Bewegungen" an der Ruhr Universität,
zeigt in seinem Buch "Krupp bleibt doch
Krupp. Das Jubiläum der Firma Fried. Krupp
AG in Essen 1912" anhand vieler Beispiele
und Zeugnisse, wie eng der Kaiser und die
Familie Krupp, die jeweils voneinander
profitierten, seinerzeit bis in persönliche
Beziehungen hinein verbandelt waren. Die
Anfang August 1912 aufgezogene 100-Jahr-Feier
war daher von vornherein mehr als irgendein
Jubiläum. Tatsächlich gilt die einwöchige
Veranstaltung als eines der größten jemals
inszenierten Firmenjubiläen schlechthin.
Sie spiegelt nach Prof. Tenfeldes Erkenntnis
" in vielerlei Hinsicht die Festkultur des
Kaiserreichs auf dem Höhepunkt seiner Macht".

Tenfelde recherchierte im Krupp-Archiv,
welche organisatorischen Planspiele für
das Großereignis notwendig waren. Für das
Jubiläum war kein Aufwand zu groß; der
Konzern korrespondierte ab 1911 mit dem
kaiserlichen Gerichtshof in Berlin, um
das genaue Festdatum festzulegen. Der Besuch
Wilhelms II. in den Krupp-Werken und auf
der Margarethenhöhe fiel auf den 8. und
9. August 1912. Nicht, weil es ein markantes
Datum in der Chronik des Krupp-Imperiums
so wollte, sondern weil Wilhelms Terminkalender
es so bestimmte. Gleichwohl wurde von der
Fa. Krupp anlässlichlich dieser "Essener
Kaisertage" sogar eine Postkarten-Serie
aufgelegt.

Tenfeldes Buch überrascht mit eindrucksvollen
Bildern und Fotografien, die das versunkene
Kaiserreich plastisch aufleben lassen.
Und mit lesbaren, bei aller wissenschaftlichen
Akuratesse populär gehaltenen Texten. Wie
im Brennglas bezeugt die Dokumentation,
dass das Krupp-Jubiläum zugleich die Kultur
jener Epoche spiegelte: Es war eine Repräsentationskultur
ohne Frauen, ohne die Gebildeten aus Wissenschaft,
Erziehung, Kunst und Kultur. "Der militärisch
eingefärbte Machtwille durchtränkte den
Alltag in einem heute schwer nachvollziehbaren
Maße", lautet ein Fazit Tenfeldes.
Klaus Tenfelde: Krupp bleibt doch Krupp.
Klartext Verlag Essen. 176 Seiten, 29,95 Euro


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