WAZ, 27.09.2005, Lokalausgabe Bochum

Beitrag zur Bochumer Erinnerungskultur

Hubert Schneider hat ein Buch mit Briefen des jüdischen Ehepaares´Freimark herausgegeben

„Es lebe das Leben“ - so endet ein Brief des Bochumer Juden Simon Freimark an seine nach Amerika emigrierten Kinder und so heißt auch das Buch von Hubert Schneider. Untertitel: „Die Freimarks aus Bochum – eine deutsch-jüdische Familie. Briefe und Postkarten an ihre Kinder Stefanie und Gerhard, denen es wenige Tage vor dem Progrom am 9. November gelungen war, zu Verwandten nach Philadelphia auszureisen. 1942 wurde das Ehepaar Freimark ins KZ Theresienstadt deportiert. Die nach ihrer Befreiung im Mai 1945 verfassten Briefe verdeutlichen, wie es den Überlebenden gelang, mit diesen Erfahrungen zu leben. Hubert Schneider, langjähriges Vorstandsmitglied des Instituts für soziale Bewegungen der Ruhr-Universität, beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der jüdischen Geschichte in Bochum. Mit der Edition der Freimark-Briefe gelang ihm eine bewegende und persönliche Dokumentation des jüdischen Alltags in Bochum. In den Briefen geht es hauptsächlich um die Belange der Kinder, der Leser erfährt jedoch einiges aus dem Leben der Bochumer Juden. Karola Simon beschreibt die Arisierung von ansässigen Firmen, darunter die ihres Gatten, auch das Leben im Judenhaus in der Wilhelmstraße oder der Beerdigung eines Nachbarn, der aufgrund fehlender jüdischer Männer nicht rituell beigesetzt werden konnte. Für die Bochumer Lokalgeschichte stuft Professor Klaus Tenfelde, Direktor des Instituts für soziale Bewegungen, den Quellenwert der Freimark-Briefe als ungemein hoch ein: „Bislang waren lediglich Gestapo-Berichte erhalten, das jüdische Alltagsleben war so gut wie überhaupt nicht dokumentiert.“ „Es lebe das Leben“ leistet somit einen großen Beitrag zur Bochumer Erinnerungskultur. mm

Hubert Schneider (Hg.): Es lebe das Leben. Dokumentenreihe d. Instituts f. soziale Bewegungen. Bd. 6. Klartext-Verlag, 354 Seiten, 29,90 Euro


zit. nach: WAZ Nr. 225 v. 27.09.2005.