Transnationale Konflikte um Arbeitsbedingungen in der globalen Textilindustrie

Kurzfassung

Das Projekt untersucht transnationale Konflikte um Arbeitsbedingungen in globalen Lieferketten anhand einer Methodentriangulation, die verschiedene Datenquellen und qualitative sowie quantifizierende Methoden beinhaltet. Dazu wird in einem ersten Schritt zunächst der quantitativ orientierte diskursanalytische Ansatz der Attributionsanalyse adaptiert und methodisch weiterentwickelt. Damit verfolgt das Projekt in dem Forschungsfeld zu transnationalem Arbeitsrechtaktivismus einen neuen Ansatz, um politische Auseinandersetzungen aller öffentlich relevanten Akteure in dem Feld, ihre Forderungen und Verantwortungs- und Kompetenzzuschreibungen sichtbar zu machen. Dies erlaubt es die Strukturierung der Akteure, ihrer Diskurse und räumlichen Bezugsrahmen sichtbar zu machen, um so verschiedene Thesen zur boomerang politics und dem Verhältnis zwischen staatlicher und privater Politik zu testen. In einem zweiten Schritt wird anhand einer qualitativen Einzelfallstudie die Bildung von Netzwerken am Beispiel des "Bangladesh Fire and Building Safety Accord" näher beleuchtet.

Weitere Informationen

Auseinandersetzungen um Arbeitsbedingungen in globalen Lieferketten sind nicht erst nach dem Tazreen Feuer in Bangladesch, bei dem über 100 Arbeiter_innen ums Leben kamen, ein zentrales internationales Thema. Konflikte um die Einhaltung und Durchsetzung internationaler Kernarbeitsnormen nehmen seit dem Aufkommen der sog. anti-sweatshop Bewegungen in Europa, USA und Canada in den 1990ern zu. Dabei fordern Netzwerke von Gewerkschaften und sozialen Bewegungsorganisationen multinationale Unternehmen, aber auch Staaten, Konsumenten oder Verbände zur Einhaltung und Durchsetzung internationaler Kernarbeitsnormen in der global organisierten Textilindustrie auf. Dabei gibt es bisher wenige auf die USA oder Europa fokussierte Studien, die sich mit den öffentlichen Debatten um Arbeitsbedingungen systematisch beschäftigen.

Deshalb ist erstens eine Erweiterung des Methodenspektrums nötig, welches ermöglicht, das Verhältnis der verschiedenen Akteure zueinander, ihre Forderungen, Verantwortungs- und Kompetenzzuschreibungen zu messen und im quantitativen Vergleich über Ländergrenzen hinweg und im Zeitverlauf abzubilden. Öffentliche Auseinandersetzungen über Konzepte, Politiken und Praktiken der Regulierung globaler Lieferketten werden häufig über Medien vermittelt, wobei Legitimität und Sinnordnungen verschiedener Handlungspraktiken expliziert, begründet und gerechtfertigt werden müssen. Die Attributionsanalyse stellt dafür ein geeignetes Vorgehen dar. Zweitens beziehen sich bisherige Studien ausschließlich auf Medien in den USA oder Europa. Um diesen Bias zu überwinden, untersucht das Projekt die englischsprachige Medienberichterstattung aus den zentralen Produktionsländern Asiens. An dem konkreten Fall der Debatten um die Regulierung von Lieferketten in Bangladesch nach dem Tazareen Feuer, welches zur Etablierung des sog. "Bangladesch Accords" geführt hat, wird die Methode getestet und entwickelt.

Diese quantitative Analyse wird ergänzt durch qualitative Interviews in Europa und Bangladesch zur Kooperation zwischen nationalen und internationalen Gewerkschaften und sozialen Bewegungsorganisationen, die sich an der Umsetzung der neuen Standards beteiligen. Denn obwohl es bisher eine Vielzahl von Studien gibt, die sich mit der Entstehung und Umsetzung von transnationalen privaten Regulierungsformen beschäftigen bleibt die Rolle von Netzwerken zwischen Gewerkschaften und NGOs sowie zwischen unterschiedlichen Räumen bisher unterberücksichtigt. So wissen wir recht wenig darüber, unter welchen Bedingungen transnationale Kooperation zwischen Organisationen aus den Produktions- und Konsumptionsländern entsteht, wie die Beziehungen zwischen ihnen strukturiert sind, oder welche transnationale Arbeitsteilung zwischen den Akteuren in den einzelnen Ländern vorliegt.

Erste Projektergebnisse werden Ende Oktober 2015 veröffentlich.

Projektleitung: Sabrina Zajak
Projektmitarbeiterin: Saida Ressel
Laufzeit: März-Oktober 2015
Finanzierung: Mercator Stiftung (Mercator Research Center Ruhr, MERCUR)